Bei Massenentlassungen schützt Alter nicht immer vor einer Kündigung. Können Arbeitnehmer zeitnah innerhalb von zwei Jahren eine abschlagsfreie Altersrente beanspruchen, nimmt dadurch die Schutzbedürftigkeit ab, urteilte am Donnerstag, 08.12.2022, das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt (AZ: 6 AZR 31/22).
Konkret geht es um ein insolventes Stahlunternehmen in Westfalen. 2020 wurden zunächst 61 der 396 Beschäftigten entlassen, Ende Mai 2021 der Betrieb dann ganz geschlossen. In Unternehmen mit Betriebsrat treffen in solchen Fällen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter eine Auswahl in einem sogenannten Interessenausgleich. Dabei müssen sie soziale Kriterien berücksichtigen.
Hier stand auch der Name der Klägerin auf der Auswahlliste. Sie war damals 63 Jahre alt und arbeitete schon seit 1972 in dem Betrieb. Ein nicht gekündigter Kollege sei viel jünger und seine Betriebszugehörigkeit weit kürzer, argumentierte sie.
Der Arbeitgeber, hier der Insolvenzverwalter, verteidigte die Auswahl.
Die Klägerin habe als einzige die Möglichkeit gehabt, bereits ab Dezember 2020 eine abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte zu beziehen.
Dieses Argument greift, urteilte nun das BAG. Danach dürfen Arbeitgeber und Betriebsrat die Möglichkeit einer zeitnahen abschlagsfreien Rente bei der sogenannten Sozialauswahl berücksichtigen.
Zwar nehme die Schutzbedürftigkeit mit dem Alter zu, weil Betroffene dann schwerer eine neue Stelle fänden. „Sie fällt aber wieder ab, wenn der Arbeitnehmer spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses über ein Ersatzeinkommen in Form einer abschlagsfreien Rente wegen Alters verfügen kann.“ Davon ausgenommen sind nach dem Erfurter Urteil lediglich Altersrenten für schwerbehinderte Menschen.